Nach fast vier sehr glücklichen Jahren (und 70 tkm) mit meinem eGolf steht bald ein neuer Wagen ins Haus. Noch steht nicht mal fest welche Fahrzeugklasse es werden soll, entweder ein kompakter Ersatz für den eGolf, oder der Golf wird behalten und es wird ein Ersatz für den letzten Verbrenner im Haushalt angeschafft. Bisher habe ich schon einige Autos getestet (Mustang MachE, Tesla Model Y, BMW i4, Polestar 2), aber keines das auf VWs MEB Plattform basiert, da kam das Angebot von Cupra (in Österreich) gerade recht, 1 Monat Cupra Born (58 kWh) um 500 EUR mit 2.000 Freikilometern fand ich leider geil.
Die Buchung und Abholung des (neuen!) Fahrzeuges hat ohne Probleme funktioniert, von der Ausstattung her war folgendes an Bord:
-19" Alu
-Komfort Paket (Kessy Keyless, Induktionsladeschale)
-Winter Paket (Sitzheizung vorne, Scheibendüsen beheizt)
-Österreichpaket (abgedunkelte Scheiben, ACC, Verkehrszeichenerkennung, Fernlichtassistent, Rückfahrkamera)
-kein HUD (normal Serie)
-kein doppelter Boden im Kofferraum
-keine "Skidurchreiche" im Kofferraum und damit keine Mittelarmlehne hinten
-kein Totwinkelwarner
-Standardfahrwerk, kein DCC
Der Born ist ja der Bruder vom ID3, grundsätzlich gilt er als etwas sportlicher, neben der Optik ist er auch 2 cm tiefer, dazu ist der Innenraum etwas hochwertiger als beim ID3. Obwohl VW den ID3 gerade ein Facelift verpasst hat, finde ich den Born doch etwas besser, die Mittelkonsole mit der breiten Mittelarmlehne und "Fake-Alcantara" finde ich deutlich besser als die Einzelarmlehnen beim ID3, die aussehen wie ein Restposten von Tupolev. Trotzdem sind einige Punkte gegenüber meinem eGolf (Golf 7) ein deutlicher Abstieg, der Golf hat deutlich weniger Hartplastik, die Seitentaschen in den Türen sind mit Filz ausgeschlagen, die Türgriffe innen sind aus Metall.
Der Ersteindruck beim Einsteigen ist wie erwartet. Da ich das Fahrzeug schon aus einigen Reviews kenne, gibt es erst einmal wenig Überraschungen, bis auf eine nicht unerhebliche...aber dazu gleich mehr. Was ich bei Fahrzeugen generell Schätze und wo ich beim VW Konzern noch nie enttäuscht wurde, das sind die direkten Berührungspunkte des Körpers mit dem Fahrzeug, also Sitze, Lenkrad, Pedale und die gesamte Ergonomie, das ist auch beim Born wie erwartet gut. Doch gleich bei der Fahrzeugeinstellung fällt mir etwas Unerwartetes auf, man sitzt sehr hoch im Fahrzeug. Wenn man einen eGolf gewohnt ist, kommt man sich vor wie in einem Van oder SUV. Den Eindruck verstärkt noch die weit vorne stehende Windschutzscheibe, mit einer A-Säule, die die Schicht in einigen Situationen deutlich beeinträchtig und die gegenläufigen Scheibenwischer, die sind aber zumindest nicht störend. Nun, SUV erfreuen sich grundsätzlich großer Beliebtheit -wenn auch nicht bei mir- und die höhere Sitzposition hat schon Vorteile, allerdings nicht wenn die Bodenplatte sehr hoch ist und man sich fühlt, als würde man auf dem Fahrzeug sitzen und nicht im Fahrzeug, sozusagen das Schlechteste aus beiden Welten. Klar, die Batterien müssen auch irgendwie untergebracht werden, aber diese Lösung fühlt sich für mich keinesfalls nach einem Kompaktfahrzeug an, es wundert mich auch, dass bei unzähligen Tests, die mir bekannt sind, das niemals thematisiert wurde.
Mir hat das echt keine Ruhe gelassen, ich habe daher bei mehreren Autos die Höhe der Bodenplatte vermessen. Der Cupra Born (der übrigens 2cm niedriger ist als der ID3), hat den Schweller in einer Höhe von 41 cm, die Bodenplatte innen hat eine Höhe von 35 cm. Vergleicht man das mit dem eGolf, zeigt sich eine Schwellerhöhe von 38 cm und die Bodenplatte innen weist eine Höhe von 26 cm auf. Das klingt jetzt weder überraschend noch spektakulär, aber nun vergleichen wir das mal mit einem kompakten SUV, dem BMW X1, der eine Schwellerhöhe von 42 cm hat und eine Höhe der Bodenplatte von 32 cm. Also beim X1 ist die Bodenplatte ist die Bodenplatte mit 3 cm spürbar tiefer als beim Born, dazu nutzt der X1 die gewonnene Höhe für eine aufrechte bequeme Sitzposition.
Nach so viel Kritik nun zu einigen positiven Aspekten. Das kleine Display hinter dem Lenkrad (das sich mit der Lenksäule mit verstellt) finde ich gut gelungen, Größe, Inhalt passen gut und auch den daran befestigten Fahrstufenwahlhebel finde ich praktisch. Das große Mitteldisplay passt von Größe, Position und Winkel und die ersten Einstellungen gelingen ohne Bedienungsanleitung. Der viel gescholtenen Software (Version 3.1) kann ich kaum etwas vorwerfen, außer dass sie etwas langsam ist.
Bekannte, oft geäußerte Kritikpunkte am Auto sind die Touch-Tasten am Lenkrad, sowie die Fensterhebertasten in der Fahrertür die eine Doppelbelegung haben, also es gibt nur Tasten für vorne, um die Fensterheber hinten zu betätigen, muss man einen Umschaltknopf drücken. Während ich die Touch-Tasten am Lenkrad ebenso störend fand (Fehlbedienungen hielten sich aber in Grenzen), fand ich die Logik der Fensterheber sogar positiv, die hinteren Fensterheber benötige ich selten, wenn man nur zwei Tasten statt vier, dann halbiert sich die Gefahr der Fehlbedienung.
Aber nach einigen Nebenschauplätzen nun zum wichtigsten Thema, wie fährt sich das Auto nun? Nun, auch hier muss ich zum eingangs festgestellten Punkt kommen: Nicht wie ein Kompaktwagen!
Um nicht gleich wieder meiner Enttäuschung zu viel Raum zu geben, zuerst zu den positiven Aspekten. Das Auto nimmt sehr harmonisch Gas (äh, Strom) an, der Heckantrieb passt besser zum Auto als der Frontantrieb beim eGolf, die Traktion ist deutlich besser. Es fühlt sich alles wie aus einem Guss an, dazu hat das Auto einen super kleinen Wendekreis, also wenigstens hier verdient er das Prädikat Kompaktwagen. Dazu ist die Lautstärke innen recht gering, vor allem klappert nichts, hier muss er sich nicht hinter den Mitbewerbern verstecken, im Vergleich zum ebenso von mir getesteten Polestar, ist er in dieser Hinsicht deutlich besser.
Ein wichtiges Kapitel ist das Fahrwerk und das ist aus meiner Sicht ein schwieriges Thema. Cupra will ja grundsätzlich der Sportler in der Familie sein, das sieht man an der Optik und merkt man auch am Fahrwerk. Die 2cm Tieferlegung sehe ich erstmals als sehr positiv, auch so ist mir das Auto schon viel zu hoch, anders sieht es mit der Härte des Fahrwerks aus, hier hat man meiner Meinung nach keine gute Abstimmung getroffen. Nichts gegen ein hartes Fahrwerk, in dem Fall stört es auch weniger bei schlechter Fahrbahn, oder langsamer Fahrt, aber bei lang gezogenen Wellen, vor allem auf der Autobahn, hüpft das Auto von einer Welle zur nächsten, Federung und Dämpfung passen absolut nicht zusammen. Der Testwagen hatte nicht das optionale DCC verbaut, keine Ahnung ob es damit besser wäre, oder ob man da zum ID3 greifen müsste (da hab ich gerade einen Testbericht von Facelift gelesen, wo das Fahrwerk sehr gelobt wurde), aber ich muss sagen, für mich ist das Fahrwerk in der Form nicht akzeptabel! Fun-Fact am Rande, meine Frau und meine Mutter haben sich als Mitfahrerinnen auch über das Fahrwerk beklagt.
Was mir generell beim Volkswagen-Konzern gefällt, ist Keyless Go Funktionalität. Das Auto öffnet sich, wenn man den Türgriff innen berührt und schließt sich, wenn man ihn außen berührt. Das finde ich in der Praxis viel besser als durch Annäherung. Eine kleine Einschränkung habe ich beim Born beobachtet, beim Öffnen braucht er eine Gedenksekunde (da ist der Golf schneller), zu Beginn ist es mir öfter passiert, dass ich zu schnell gezogen habe. Nicht ganz so gut gefällt mir die Logik beim Aktivieren der Zündung. Manche halten ja einen "Startknopf" im eAuto für unnötig und bevorzugen eine Lösung, wo sich das Auto automatisch über einen Sensor im Fahrersitz aktiviert bzw deaktiviert. Volkswagen macht es grundsätzlich automatisch, aber man hat einen Knopf um die Automatik zu "overrulen". Die Lösung finde ich besser, denn manchmal sitzt man im Auto, möchte aber keine Zündung aktiviert haben und manchmal möchte man dass beim (kurzen) Aussteigen alles weiterläuft (Klima, Radio,..), leider hat VW die Logik nicht zu Ende gedacht, beim Aussteigen muss man in dem Fall nach dem Aussteigen nochmals den Knopf drücken. Beim Golf hab ich einen "Workaround" gefunden (Tür auf, Knopf drücken, erst dann aussteigen), beim Born geht das leider nicht.
Für ein anderes Thema muss ich auch weiter ausholen, da es meiner Meinung nach bei Tests immer zu kurz kommt, die Rekuperation. Hier gibt es ja auch verschiedene Philosophien, One-Pedal-Driving, Paddles am Lenkrad usw. Bei der MEB Plattform ist echtes OPD bis zum Stillstand nicht möglich, es gibt einen "B" Modus mit relativ starker Rekuperation, allerdings nicht bis zum Stillstand, oder einen Segelmodus, wahlweise mit adaptiver Rekuperation. Im Segelmodus wird grundsätzlich nicht rekuperiert, jedoch kann man die Rekuperation über das Bremspedal steuern, steigt man aufs Bremspedal, wird vorrangig (bis zum Maximum) rekuperiert, erst dann kommen die Bremsen zum Einsatz. Der Übergang zwischen Rekuperation und Bremsen ist dabei stufenlos ("Brake-Blending") und sollte im besten Fall für den Fahrer nicht spürbar sein. Hier kommt mein erster Kritikpunkt zu tragen, leider wandert beim Born der Druckpunkt etwas, das kann mein eGolf tatsächlich besser. Übrigens gibt es das "Brake-Blending" bei praktisch allen Herstellern außer bei Telsa, dort hat man den intelligenten Bremskraftverstärker gespart und ist daher zum One-Pedal-Driving "verdammt", andernfalls wird Bremsenergie vernichtet. Gott sei Dank lassen sich Tesla-Fahrer das als Feature verkaufen.